Pater Jean-Uriel: «Die Kirche lebt, weil Christus lebt»

Pater Jean-Uriel: «Die Kirche lebt, weil Christus lebt»

Der Bruderzweig der internationalen Gemeinschaft der Seligpreisungen hat mit Pater Jean-
Uriel Frey einen neuen Oberen.

Monika Wegmann
10.01.2020, 05.00 Uhr

Quelle: https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/die-kirche-lebt-weil-christus-lebt-ld.1183985

Pater Jean-Uriel Frey in der Bibliothek des ehemaligen Kapuzinerklosters in Zug.
Bild: Matthias Jurt (6. Dezember 2019)

Mit dem Kanton Zug ist Pater Jean-Uriel Frey (51) stark verbunden: Vor einigen
Jahren stand er in der Pfarrei St.Michael und in Hünenberg im Einsatz. Kürzlich ist
er von der internationalen Gemeinschaft der Seligpreisungen mit Hauptsitz im
französischen Toulouse zum Oberen aller rund 180 Priester und Brüder für die
ganze Welt gewählt worden, so wird es künftig seltener Besuche in Zug geben.
Weil er den Kontakt mit allen Niederlassungen pflegen will, konnte er im Dezember
einen kurzen Heimatbesuch in Zug einplanen, wo die Gemeinschaft im
Kapuzinerkloster ihre Wirkungsstätte gefunden hat. Der aus dem luzernischen
Horw stammende Pater Jean-Uriel Frey strahlt frischen Elan aus und steigt im
traditionellen Habit die Stufen bis ins Dachgeschoss des Kapuzinerklosters rasch
hinauf.

Seine Augen strahlen, als er im Gespräch von seinem spirituellen Weg erzählt, wie
er als junger Primarlehrer an einem Marienwallfahrtsort in Kroatien eine starke
Gotteserfahrung erlebte. «Das hat in mir eine Suche ausgelöst. Mit 24 habe ich
den Wunsch nach einer Berufung geprüft.» Im Wallis habe er die noch junge
Gemeinschaft der Seligpreisungen kennen gelernt. «Bei ihnen hat mich fasziniert,
dass sie die Urgemeinde zum Vorbild haben und dem Ruf der Bergpredigt folgen.
Alte Werte werden neu interpretiert. Das Evangelium und die Kirchenväter spielen
eine wichtige Rolle, und vor allem hat das Gebet einen zentralen Stellenwert.
Nicht alles wird neu erfunden, es gibt auch Platz für Neues. Und mit der Kirche
arbeiten wir immer eng zusammen.»

In den Fussstapfen der Kapuziner

Nach seinem Eintritt in die Gemeinschaft war er auf einer Missionsstation in den
Philippinen tätig. Es folgten das Studium der Theologie und Philosophie in
Toulouse, ein Zwischenjahr in Paderborn und Studien der Judaistik in Jerusalem.
«In Israel konnte ich unsere Wurzeln im Glauben vertiefen.» Nach der Ausbildung
wirkte Pater Jean-Uriel Frey von 2003 bis 2013 auch als Leiter der Zuger
Niederlassung. «Zu Beginn gab es hier 6 Mitglieder, heute sind es 15.» Wichtig ist
ihm noch zu erklären, dass zu den Seligpreisungen Schwestern, Brüder und Laien
gehören. Er ist überzeugt, dass viele Leute in Zug die Gemeinschaft inzwischen
schätzen. «Es gibt einen fruchtbaren Austausch.» Für die Räumlichkeiten im
Kloster, das der Zuger Bürgergemeinde gehört, ist er sehr dankbar: «Wir haben sie
von den Kapuzinern übernommen und durften in ihre Fussstapfen treten.»
2004 ist Jean-Uriel Frey zum Priester geweiht worden. Der Weg sei nicht immer
einfach gewesen, sagt er. «Ich habe auch gekämpft, denn man wird mit sich selber
konfrontiert. Das muss man aushalten. Die hohen Ideale sind nicht immer leicht zu
erfüllen. Und bevor man predigen kann, muss man das durchlebt haben.»
Besonders schätze er das Gemeinschaftsleben und den Austausch mit den
Brüdern. «Ich möchte nicht allein in einem Pfarrhaus sein, sondern bin zu einem
Leben in der Gemeinschaft berufen.»

In 25 Ländern im Einsatz

Heute trägt er für die Brüder und Priester der Seligpreisungen weltweit die
Verantwortung. Da er ab 2015 in der Generalleitung in Toulouse als Assistent des
früheren General Oberen tätig war, ist er auf diese Aufgabe vorbereitet. Wichtig
ist für Pater Jean-Uriel der Kontakt mit den Brüdern in den weltweit in 25
Ländern. «Mein Ziel ist es, die meisten Niederlassungen zu besuchen, wobei jedes
Haus autonom ist. Wenn es um praktische Fragen wie den Unterhalt der Gebäude
geht, leisten wir Unterstützung.»
Eine wichtige Aufgabe sei auch die Ausbildung, die neben Toulouse noch in Abidjan
(Elfenbeinküste) und in Saigon (Vietnam) angeboten wird: «Derzeit begleite ich 35
Brüder auf dem Weg zur Priesterweihe.» Das Interesse für einen geistlichen Beruf
sei je nach Region unterschiedlich, weiss Pater Jean-Uriel. «Allgemein verzeichnen
wir mehr Eintritte in Afrika und Vietnam. In der Schweiz gibt es zwar keinen
Ansturm, aber wir durften immer wieder einige neue Berufungen empfangen. Auch
wenn es Durststrecken gibt, bin ich sehr optimistisch. Die Kirche lebt, weil
Christus lebt.» Die lange theologische Ausbildung stelle jedoch für die
Generalkasse einen grossen Kostenpunkt dar, weshalb es Spendenaufrufe gebe.

Ein Leitungsteam entscheidet

Alle vier Jahre entscheidet die Generalversammlung über diverse
Leitungsaufgaben. Eine Wiederwahl sei möglich, aber nach spätestens zwei
Mandaten gebe es einen Wechsel. Weil der Gemeinschaft neben den Priestern und
Brüdern rund 300 Schwestern und 300 Laien angehören, steht ein vierköpfiges
Leitungsteam im Einsatz. «Zusammen mit Schwester Anna-Katherina Pollmeyer
als Präsidentin entscheide ich über wichtige Fragen», sagt Pater Jean-Uriel. «Eine
gut funktionierende Teamarbeit ist wichtig. In gewissen Punkten trage ich die
letzte Entscheidung, aber auch hier in Absprache mit der Präsidentin, vor allem
wenn es um die Ausrichtung unserer Gemeinschaft geht.» Die grosse
Herausforderung bestehe darin, die Frohe Botschaft den Mitmenschen zu
verkünden. Manchmal hinterfrage man die eigene Berufung. «Dann braucht es den
Austausch und das Gespräch. Ich wünsche mir ein ‹goldenes Ohr›, damit ich
aufmerksam zuhören kann. Bei all dem ist es wichtig, sich nicht allzu ernst zu
nehmen und die Dinge mit einem Stück Humor anzugehen.»